Vorsicht beim Vertragsabschluss außerhalb der Geschäftsräume
Der Anfang war gut gemeint. Der Gesetzgeber wollte das sogenannte Haustürgeschäft verbraucherfreundlicher machen. Inzwischen lauern auch Gefahren für Wohnhandwerker. Zu den Grenzen und Gefahren des Verbraucherwiderrufsrechts.
Wenn ein Verbraucher berechtigt den Widerruf eines Vertrages erklärt, hat das dramatische Folgen für den Wohnhandwerker: Er erhält keinen Werklohn, muss schon an ihn geleistete Zahlungen zurückzahlen, während der Verbraucher das gelieferte und eingebaute Werk, zum Beispiel eine Treppe, behalten darf. Der Verbraucher muss noch nicht einmal Wertersatz leisten für das verbaute Material. Die besagte Treppe wurde mit dem Einbau wesentlicher Bestandteil des Gebäudes und damit Eigentum des Verbrauchers! Wer das in der gesamten Dramatik in Bezug auf ein für den Verbraucher am Ende komplett neues, kostenloses Dach einmal nachlesen möchte: Oberlandesgericht München, Beschluss vom 19.04.2021, Aktenzeichen 28 U 7274/20 Bau und Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 10.05.2023, Aktenzeichen VII ZR 414/21.
Wie kommt es überhaupt zu diesem Widerrufsrecht? Am Anfang stand das sogenannte Haustürgeschäft, bei dem etwa Drückerkolonnen unterwegs waren, um überraschten Hausfrauen oder Rentnern ein Zeitschriftenabo oder Ähnliches aufzuschwatzen. Daraus wurde dann der Vertragsabschluss außerhalb von Geschäftsräumen. Wenn also ein Vertreter auf einer Baustelle dem Bauherrn schon bei erster Gelegenheit die Fenster für seinen Neubau verkauft oder der vom Kunden in seine Wohnung bestellte Treppenbauer gleich den Vertrag über eine Geschosstreppe zum noch auszubauenden Dachgeschoss fix macht, befindet sich der Verbraucher in einer sogenannten Überrumpelungssituation. Anders schätzt der Gesetzgeber die Situation ein, wenn ein Verbraucher die Werkstatt oder das Ladenlokal, sprich die Geschäftsräume, des Unternehmers aufsucht: Wer einen solchen Ort aufsucht, weiß, worauf er sich einlässt, nämlich auf den Abschluss eines Kauf- oder Werkvertrages.
Allerdings haben trickreiche Verbraucher das Nachsehen, wenn sie zu Hause lediglich das am Tag zuvor gemachte Angebot des Wohnhandwerkers annehmen, so der BGH mit Urteil vom 06.07.2023, Aktenzeichen VII ZR 151/22: Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf sind nicht erfüllt, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.
Entscheidend ist eine weitere Tatbestandsvoraussetzung im Gesetz, nämlich dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beide Parteien, also Verbraucher und Unternehmer, körperlich außerhalb von Geschäftsräumen anwesend sein müssen. Wenn also der Kunde beim Unternehmer anruft und erklärt, er sei mit dem schriftlich übermittelten Angebot einverstanden und bestelle die Treppe zum dort angegebenen Preis, dann fehlt es an der gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit und ein Widerruf ist nicht möglich.
Es handelt sich insoweit auch nicht um einen Fernabsatzvertrag, der seinerseits auch eine Widerrufsmöglichkeit für den Verbraucher vorsieht: Gemäß Paragraf 312 c BGB handelt es sich dabei um Verträge, bei denen im Rahmen der Vertragsverhandlungen und des Vertragsschlusses ausschließlich Fernkommunikationsmittel wie EMail, Telefon und so benutzt werden. War der Verbraucher jedoch vorher beim Unternehmer in der Ausstellung oder hat der Wohnhandwerker vor Erstellung seines Angebots vor Ort Aufmaß genommen, fehlt es an dieser Ausschließlichkeit, sodass das per E-Mail übermittelte Angebot und die zurückgesandte E-Mail mit der Bestellung keine Widerrufsmöglichkeit für den Verbraucher eröffnen.