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Innung für Raumausstatter, Parkett- und Bodenleger Südwest

Unnötige Diskussion um den Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn bringt die Tariflandschaft in Deutschland gehörig durcheinander. Das liegt unter anderem daran, dass die Gewerkschaften in Deutschland in vielen Branchen einen außerordentlich dürftigen Organisationsgrad haben und dies durch politische Einflussnahme (zu gut Deutsch: Lobbyarbeit) zu kompensieren versuchen.

Es erscheint vielfach einfacher, politische Entscheidungsträger aufs Pferd zu setzen statt in Kleinbetrieben des Handwerks Mitglieder zu gewinnen. Daher ist es noch nicht ausgemacht, ob der Beschluss der Mindestlohnkommission zu einer Anhebung des Mindestlohns auf 12,41 Euro zum 1. Januar 2024 und ein Jahr später auf 12,82 Euro Bestand hat, das heißt, in einem Gesetz umgesetzt wird. Die Mindestlohnkommission hat sich die Arbeit nicht einfach gemacht und letztlich aus guten Gründen die Arbeitnehmerseite überstimmt. Die macht es sich ihrerseits jedoch zu einfach, einzig und allein auf die hohe Inflationsrate zu verweisen. Und warum soll gerade beim gesetzlichen Mindestlohn eine höhere Steigerung eingreifen als in den Tarifverhandlungen zum Beispiel der IG Metall.

Im saarländischen Schreinerhandwerk gibt es aktuell zunächst nur die Inflationsausgleichsprämie und später eine Erhöhung um 3,5 Prozent auf der Basis des seit 1. Juli 2022 geltenden Ecklohns. Bei den Raumausstattern bundesweit werden die beiden Instrumentarien kombiniert, allerdings auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als im Schreinerhandwerk. In keinem Fall werden aber die 12,5 Prozent erreicht, die der Forderung der Gewerkschaftsseite in der Mindestlohnkommission und Teilen des linken Parteienspektrums mit einer Erhöhung des Mindestlohns von 12,00 Euro auf 13,50 Euro entsprechen würde.

Richtigerweise hat in diesem Zusammenhang Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU), darauf hingewiesen: „Der Mindestlohn ist keine sozialpolitische Leistung. Mit der jetzt beschlossenen Anhebung um 3,5 und 3,3 Prozent geht die Kommission immer noch über den durchschnittlichen Anstieg der Tariflöhne von 2,7 Prozent hinaus.“

Wer Sachargumenten jedoch nicht zugänglich ist und gerne die deutsche Gesetzeslage ignoriert, sucht Hilfe meist bei höheren Instanzen wie Moral oder aber vermeintlich höherrangigem EU-Recht. In diesem Fall handelt es sich um eine EU-Maßgabe zur Erhöhung der tarifvertraglichen Abdeckung in den Mitgliedsstaaten. In diesem Zusammenhang lässt sich die Richtlinie auch zur Angemessenheit gesetzlicher Mindestlöhne aus. Wohlgemerkt findet diese Richtlinie in Bezug auf Mindestlöhne nur dann Anwendung, wenn im jeweiligen Land überhaupt ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt ist! Als Beurteilungskriterien nennt die Richtlinie selbst die folgenden vier Aspekte: die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten, das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung, die Wachstumsrate der Löhne, langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen.

Weil das alles in hohem Maße interpretationsfähig ist, heißt es schließlich, dass Referenzwerte wie 60 Prozent des Bruttomedianlohns oder 50 Prozent des Bruttodurchschnittslohns herangezogen werden können. Es ist nicht die Rede von einem Müssen und damit besteht auch keine Pflicht zu einer überzogenen Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission.

Deutschland muss sich ohnehin im europäischen Vergleich mit dem Mindestlohn nicht verstecken, lag es doch zum 1. Januar 2023 mit zwölf Euro auf dem zweiten Platz hinter Luxemburg mit 13,80 Euro, vor Belgien mit 11,85 Euro oder Frankreich mit 11,27 Euro, was überhaupt keinen Vergleich darstellt zu 6,55 Euro in Spanien oder 4,78 Euro in Polen.

Zugleich ist der Supermarkt-Einkauf in Deutschland im Vergleich mit unseren westlichen Nachbarn supergünstig, wie eine Untersuchung der BBC zeigte: Für den gleichen Warenkorb muss der deutsche Kunde 55 Euro ausgeben, während der französische Verbraucher für dieselben Produkte knapp 79 Euro auslegen muss – ein Befund, den jeder Grenzgänger in unserer Region bestätigen wird.

In jedem Fall hat schon der aktuelle Mindestlohn zu faktischen Anpassungen der Wohnhandwerker-Tarifverträge geführt, da die Tabellenwerte der untersten Entgeltgruppe (E 1 für sehr einfache Arbeiten, die nach kurzer Einweisung ausgeführt werden können) unter den 12 Euro lagen. Demzufolge haben die Raumausstatter ihre E1-Gruppe ersatzlos gestrichen und die Tabelle beginnt bei E2 mit 80 statt mit 75 Prozent.

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Bildnachweis: inplan-media